2025 stand in Japan vor allem im Zeichen der Zölle. Am Jahresende kam eine zweite Überraschung: die Wahl der ersten weiblichen Premierministerin, Sanae Takaichi (Amtseinführung am 21.10.2025). Ihr Vorbild ist Margaret Thatcher, sie gilt als ultrakonservative Hardlinerin. Dieses Szenario hatte der Markt nicht erwartet. Mit Unterstützung der rechtsgerichteten Ishin-Partei setzte sie sich gegen den zuvor favorisierten Koizumi durch. Das Potenzial einer „Takaichi-Rallye“ war nicht eingepreist.
Japanische Aktien reagierten mit kräftigen Kursgewinnen. Die Überraschung begünstigte vor allem Wachstumstitel. Nach der Präsidentschaftswahl im Vorjahr wertete der Yen stark auf. Dieses Mal wertete der Yen ab (06.10.2025). Der Markt honoriert Takaichis geplante expansive Fiskalpolitik. Sie schafft Planungssicherheit für eine lockerere Ausrichtung und verlängert den Zeithorizont für die fiskalische Konsolidierung.
Fiskalische Weichenstellung und geldpolitische Spannungsfelder
Wachstumstitel – vor allem Tech-Exporteure, Verteidigung, Infrastruktur und Energie – stehen im Fokus. Tech-Werte und Rüstungsunternehmen profitieren von der Yen-Abwertung und der Förderung der Halbleiterindustrie im Rahmen der „economic security agenda“.
Für Finanzwerte könnte der Rückenwind vorübergehend etwas geringer ausfallen, falls Takaichi geldpolitisch einen taubenhafteren Kurs unterstützt. Mittelfristig bleibt das Potenzial jedoch aufgrund der verbesserten Zinskurve bestehen. Das erste Treffen zwischen BOJ-Gouverneur Kazuo Ueda und der neuen Premierministerin fand am 12.11.2025 noch ohne direkten Dialog in größerer Runde statt. Der Markt verfolgt die Agenda genau. Ein bilaterales Gespräch würde auf eine enge Kooperation zwischen Zentralbank und Regierung hindeuten.
Der Handlungsdruck für die BOJ bleibt hoch, da die Inflation über dem Ziel liegt (September: 2,9 %). Zusätzlich erwägt die Premierministerin eine Senkung der Umsatzsteuer, was inflationär wirken würde. Nahezu alle Mitglieder des BOJ-Gremiums sprachen sich beim Treffen im Oktober für eine Zinserhöhung im Dezember (18./19.12.) aus. Bisher galt ein Pfad von Zinsschritten um jeweils 25 Basispunkte im Halbjahresrhythmus als realistische Agenda. Die erwartete Zielrate lag bei etwa 1,5 % bis 2027. Mit der neuen expansiven Regierung wird das Verhältnis zwischen BOJ und Politik komplexer.
Nikkei versus TOPIX: Rückkehr der Wachstumslogik
Im Indexvergleich sollte der wachstumsorientierte Nikkei 225 mit dem Wahlprogramm der Regierung Takaichi den breiter aufgestellten TOPIX übertreffen. Damit würde sich die Marktreaktion auf die Wahl im Vorjahr umkehren.
Die Wahl Takaichis zur ersten weiblichen LDP-Präsidentin und Premierministerin gilt als Wendepunkt. Sie dürfte Erwartungen an Reformen und bessere Corporate Governance erhöhen und internationale Aufmerksamkeit auf Japan lenken. Zuletzt galt dies auch für ihre Äußerungen zu Taiwan, die in China auf deutliche Proteste stießen.
Vom Sonderfall zum Reformmarkt: Japans struktureller Wandel
Takaichi hat in ihren Aussagen klare Akzente gesetzt. Bisher stand das Vertrauen des Marktes in die Stabilität des Finanzsystems bei fiskalpolitischen Entscheidungen im Vordergrund. Nun erhält das Ziel Wirtschaftswachstum mehr Gewicht. Kurzfristig könnte der „Japan Discount“ sinken. Internationale Anleger könnten sich neu motiviert fühlen, in japanische Aktien zu investieren.
Entscheidend wird sein, ob die neue Führung stabile Allianzen für Steuer- und Budgetfragen schmieden kann. Ein Minderheitsregime wäre ein Risiko. Die mittelfristige Tragfähigkeit des positiven Momentums hängt von der Umsetzung der angekündigten Reformen und geldpolitischen Initiativen ab. Wie so oft in der Politik bleibt ein Unsicherheitsfaktor – die Chancen für einen neuen Aufbruch sind jedoch gestiegen.
Warum Japan lange ein Sonderfall für Anleger war
Japan war in vielerlei Hinsicht ein Sonderfall – auch bei Anlagestrategien. In den meisten globalen Märkten waren seit 2000 Momentum-Strategien am erfolgreichsten. Japan bildete eine Ausnahme: Mean-Reversion-Strategien erzielten bessere Ergebnisse.
Gründe hierfür waren niedrige Wachstumsraten und Deflation, dauerhaft niedrige Zinsen, eine fragmentierte Industrie mit wenigen Skaleneffekten und schwachen Margen. Hinzu kamen überschüssige Liquidität, hohe Überkreuzbeteiligungen, konservative Bilanzen und niedrige Eigenkapitalrenditen. Die Corporate Governance war schwach: Ausschüttungen gering, Aufsichtsgremien wenig unabhängig. Das führte zu engen Bewertungsbändern bei Aktienkursen und Kapitalkosten. Trends hielten selten lange, die Rückkehr zum Mittelwert wurde begünstigt. Verstärkt wurde dieser Effekt durch das schwache BIP-Wachstum von durchschnittlich nur 0,7 % pro Jahr zwischen 1999 und 2021.
TSE-Reformen als Fundament für steigende Kapitalrenditen
Mit den 2023 von der Tokioter Börse (TSE) angestoßenen Kapitalmarktreformen setzte ein Wandel ein. Ziel ist es, die Kapitalrendite (ROE) und das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) japanischer Unternehmen zu steigern und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Die Reformen umfassen die Neuordnung der Börsensegmente, eine Verbesserung der Kapitaleffizienz, die Stärkung der Corporate Governance sowie die verpflichtende Veröffentlichung zentraler Informationen auf Englisch.
Historisch litten viele Unternehmen unter niedriger Kapitaleffizienz. Ende März 2023 wiesen rund 43 % der Unternehmen im TOPIX 500 ein KBV unter eins auf, etwa 40 % erzielten eine Eigenkapitalrendite von unter acht Prozent. Damit blieben sie bei Unternehmenswert und internationaler Wahrnehmung deutlich hinter westlichen Konkurrenten zurück (S&P 500 2023: KBV 4,5, ROE 18 %).
Erste Fortschritte: Verändertes Unternehmensverhalten
Die ab 2023 eingeleiteten TSE-Reformen verfolgen drei Kernziele: einen stärkeren Fokus des Managements auf kapitaleffiziente Entscheidungen, die Steigerung von Unternehmenswert und Aktienkursen sowie die Rückgewinnung des Vertrauens internationaler Investoren.
Unternehmen mit niedrigen KBVs müssen Maßnahmen zur Verbesserung der Kapitaleffizienz umsetzen. Dazu zählen der Abbau überschüssiger Vermögenswerte, die Reduktion von Überkreuzbeteiligungen und eine kritischere Überprüfung der Geschäftsportfolios. Auch Aktienrückkäufe und Dividendenerhöhungen werden erwartet, wobei die TSE Wert auf nachhaltige Effekte legt. Voraussetzung ist eine transparente Kommunikation mit Investoren. Ab Juli 2025 müssen alle börsennotierten Unternehmen professionelle IR-Strukturen vorhalten.
Seit Beginn der Reformen sank der Anteil der Unternehmen mit einem KBV unter eins im Prime Market auf 44 % und im Standard Market auf 59 %. Auch die Eigenkapitalrenditen verbesserten sich: Der Anteil der Unternehmen mit einer ROE unter acht Prozent ging im Prime Market auf 43 % und im Standard Market auf 59 % zurück. Diese Entwicklung deutet auf ein verändertes Unternehmensverhalten hin.
Abschied von Mean Reversion: Momentum gewinnt an Bedeutung
Mit den TSE-Reformen – insbesondere bei Governance und Transparenz – gewannen Momentum-Faktoren an Bedeutung. Mean-Reversion-Ansätze verlieren an Schlagkraft. Eine strukturell höhere Inflation und bessere Corporate Governance stützen das nominale Wachstum. Damit können Trendstrategien in Japan künftig ähnlich erfolgreich sein wie in anderen Märkten.
Besonders der Fokus auf Bilanzbereinigung und den Abbau von Überkreuzbeteiligungen zeigt Wirkung. Die Liquidität im TOPIX sank seit 2024 um rund 7,5 Bio. Yen. Überkreuzbeteiligungen wurden um etwa 255 Basispunkte der Marktkapitalisierung reduziert. Die Entflechtung verläuft seit 2023 etwa dreimal so schnell wie zuvor. Das ermöglicht höhere ROEs und mittelfristig ein KBV-Re-Rating von bis zu +75 %, sofern die Fortschritte anhalten.
Fragmentierung abbauen, Margen steigern
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Reduktion von Branchenfragmentierung. Unternehmen mit fokussiertem Kerngeschäft erzielen tendenziell höhere Margen und bessere Governance als breit diversifizierte Konglomerate. Japanische Unternehmen sind im Schnitt in 2,4 Sektoren aktiv, US-Unternehmen nur in 1,5.
Hält die Reformdynamik an und bleibt die Inflation strukturell höher, könnten japanische Aktien langfristig jährliche Gesamtrenditen von rund 15 % in lokaler Währung erzielen. Ohne Reformen wären es vermutlich weniger als fünf Prozent. Der Renditebeitrag käme aus Umsatzwachstum, Margenverbesserungen, Aktienrückkäufen, Dividendenerhöhungen und Bewertungsanpassungen.
Fazit: Neue Spielregeln für Investoren
Die Performance japanischer Aktien bleibt eng mit makroökonomischen Faktoren verknüpft – insbesondere mit Yen-Wechselkurs, US-Zinsen, dem CPI-PPI-Gap und Rohstoffpreisen. Die Gewichtung japanischer Titel sollte sich an diesen Treibern und den politischen Rahmenbedingungen orientieren, einschließlich möglicher zusätzlicher Stimuli der LDP unter Premierministerin Takaichi.
Fazit: Die alten Mean-Reversion-Playbooks sind nach heutigem Stand überholt. Attraktiv erscheinen GARP-Werte mit nachhaltiger Gewinnsteigerung und Momentum – insbesondere aus dem Banken-, Maschinenbau- und Halbleitersektor. Die Chancen für steigende Kurse, Margen und Bewertungen haben sich verbessert – sowohl durch die neue politische Konstellation als auch durch die Fortschritte der TSE-Reformen.
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