Was die Märkte antreibt – und gefährdet
In diesem Jahr erlebte die KI-Branche eine Investitionswelle: Die weltweiten Ausgaben für KI werden auf rund 1,5 Billionen US-Dollar geschätzt, was einem Anstieg von 35 % gegenüber 2024 entspricht. OpenAI, das noch nicht börsennotiert ist, wird mit etwa 500 Milliarden US-Dollar bewertet. Nvidia erreicht eine Marktkapitalisierung von rund 4,5 Billionen US-Dollar. Führende Branchenvertreter wie Sam Altman (OpenAI), Jeff Bezos (Amazon) und David Solomon (Goldman Sachs) sprechen von einer Blase. Sollte diese platzen, dürfte dies zu einer Marktbereinigung führen, von der vor allem unprofitable, kleinere oder hochverschuldete Anbieter betroffen wären.
Bewertung und Marktverhalten: Zwischen Wachstum und Blasengefahr
Im Vergleich zur Dotcom-Blase im Jahr 2000 besteht jedoch noch „Luft“: Die „Mag7“ werden im Durchschnitt mit einem KGV von etwa 26,8 bewertet (die „Dotcom-Top7“ erreichten einen Wert von rund 52). Nvidia liegt mit einem erwarteten KGV von etwa 28 für das Jahr 2026 deutlich unter dem Bewertungsniveau eines führenden Netzwerkausrüsters zur Zeit des Dotcom-Booms (KGV: rund 100). Der Unterschied heute: Die Magnificent Seven finanzieren ihre Rekordinvestitionen aus starken Cashflows und bleiben profitabel.
Kreisläufe und systemische Risiken: Wenn Kapitalströme sich selbst verstärken
Große Technologie- und KI-Unternehmen haben dicht geknüpfte Kapital- und Liefernetzwerke aufgebaut. Ein Beispiel ist OpenAI, das von Microsoft, SoftBank und Investoren aus Saudi-Arabien zweistellige Milliardenbeträge im Gesamtvolumen von rund 65 bis 85 Milliarden US-Dollar erhalten hat. OpenAI kauft Infrastruktur bei Oracle (Stichwort „Stargate“, rund 300 Milliarden US-Dollar) und Hardware bei Nvidia. Nvidia wiederum investiert bis zu 100 Milliarden US-Dollar in OpenAI – teils in Verbindung mit dem Aufbau eigener Systeme – und finanziert neue Cloud-Anbieter, die Grafikprozessoren als Kreditsicherheit einsetzen. Parallel dazu investiert OpenAI bis zu 300 Milliarden US-Dollar in einen US-Chiphersteller und soll Zugriff auf bis zu zehn Prozent des Unternehmens erhalten.
Das Ergebnis sind zirkuläre Abhängigkeiten: Umsätze und Bewertungen hängen zunehmend voneinander ab, was in Fachkreisen als „Indefinite Money Glitch“ bezeichnet wird. Eine historische Parallele zeigt sich in der Dotcom-Blase, als große Telekommunikationsausrüster durch ähnliche Finanzierungs- und Beteiligungsstrukturen auffielen und später scheiterten.
Zuletzt hat OpenAI einen Fertigungsauftrag im Wert von rund 500 Milliarden US-Dollar an einen der führenden Halbleiterhersteller vergeben. Insgesamt summieren sich die vergebenen Aufträge somit auf etwa 1,5 Billionen US-Dollar. Die Rechenzentrumskapazität soll von derzeit rund 2 Gigawatt im Jahr 2025 auf etwa 28 Gigawatt im Jahr 2030 steigen. Laut Studien könnten Hyperscaler bis 2030 rund 60 Prozent der weltweiten Rechenzentrumskapazität kontrollieren. Dies entspräche einem Volumen von etwa 220 Gigawatt (heute sind es rund 80 Gigawatt), ohne die zusätzlich von OpenAI geplanten Kapazitäten zu berücksichtigen. Sam Altman skizziert für das Jahr 2033 sogar ein Volumen von rund 250 Gigawatt.
Umsatzdynamik und Wachstumsperspektiven: OpenAI im Fokus
Der Umsatz von OpenAI wird für das Jahr 2025 auf rund 13 Milliarden US-Dollar geschätzt, was etwa dem Dreifachen des Vorjahreswerts entspricht. Etwa 70 Prozent entfallen auf Abonnements (rund fünf Prozent zahlende von etwa 800 Millionen wöchentlichen Nutzerinnen und Nutzern), weitere 20 bis 25 Prozent auf Firmenkunden über die Anwendungsschnittstelle (API). Um bis etwa 2030 profitabel zu werden, müsste sich der Umsatz grob verzehnfachen und auf 125 bis 200 Milliarden US-Dollar steigen.
Im ersten Halbjahr 2025 überschritten die Technologieinvestitionen in den USA die Marke von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts – ein höheres Niveau als zur Zeit der Dotcom-Blase. Gleichzeitig klafft eine deutliche Lücke zwischen den Investitionen in KI-Infrastruktur und den tatsächlichen Endnutzerumsätzen: global rund 1,2 Billionen US-Dollar gegenüber aktuellen KI-Umsätzen von etwa 100 Milliarden US-Dollar.
Laut Studien von Bain und McKinsey müssten die jährlichen KI-Umsätze bis 2030 auf mehr als zwei Billionen US-Dollar steigen, damit sich die aktuellen Investitionen wirtschaftlich rechnen. Selbst dann bliebe eine Lücke von rund 800 Milliarden US-Dollar bestehen. Zwei Billionen US-Dollar entsprechen in etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Italien oder Kanada. Der weltweite Softwaresektor erwirtschaftet aktuell rund 700 Milliarden US-Dollar.
Der Vorstand eines führenden Halbleiterherstellers vergleicht den derzeitigen Ausbau der KI-Infrastruktur mit historischen Basisinnovationen wie der Eisenbahn und dem Internet, die eine kritische Grundlage für die künftige Weltwirtschaft bilden.
Energie als potenzieller Engpass
Schätzungen zufolge werden KI-Rechenzentren dieses Jahr zwischen 20 und 50 Terawattstunden Strom verbrauchen. Das entspricht rund fünf bis zwölf Prozent des gesamten Energieverbrauchs von Rechenzentren im Jahr 2024, der bei etwa 415 Terawattstunden lag, sowie rund 0,5 Prozent des weltweiten Strombedarfs. Ein Rechenzentrum mit einer Leistung von einem Gigawatt benötigt bei 1.000 Betriebsstunden etwa eine Terawattstunde Energie. Bis 2026 wird eine Verdopplung des Stromverbrauchs durch KI erwartet.
In Regionen wie Texas und Tennessee, in denen neue Großanlagen entstehen, werden bereits erste Engpässe gemeldet. Bis 2030 könnten Rechenzentren, vor allem durch den zunehmenden Einsatz von KI, zwei bis vier Prozent des globalen Stromverbrauchs ausmachen. Das entspräche einem 20- bis 40-fachen Anstieg gegenüber 2025.
Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) dürfte der weltweite Strombedarf von Rechenzentren bis 2030 auf etwa 945 Terawattstunden steigen, was ungefähr dem heutigen Verbrauch Japans entspricht.
Das wachsende Defizit birgt das Risiko von Preisspitzen und könnte die Rechenleistung begrenzen, wodurch sich ein potenzieller Wachstumsfaktor für die Branche ergibt. Ein führendes US-Technologieunternehmen errichtet derzeit für rund 29 Milliarden US-Dollar ein neues Rechenzentrum in Louisiana, das so groß wie Manhattan ist. Analysen zeigen, dass in der Umgebung großer Rechenzentren die Strompreise teils deutlich steigen – in einzelnen Regionen der USA im ersten Halbjahr um bis zu 38 Prozent.
In den Vereinigten Staaten wird bereits diskutiert, bei Energieknappheit KI-Rechenzentren zu priorisieren – mit entsprechenden Risiken für Haushalte und Industrie. Ob der Netzausbau mit dem hohen Tempo der KI-Entwicklung Schritt halten kann, bleibt fraglich. Steigende Energiepreise gelten als wahrscheinlich. Länder mit einer fortgeschrittenen Elektrifizierungsinfrastruktur könnten dadurch strategische Vorteile in der weiteren Entwicklung der KI-Technologie erlangen.
Disruption im Softwaresektor: Automatisierung als Beschleuniger und Risiko
Rund 71 Prozent der Unternehmen setzen Künstliche Intelligenz bereits in der Softwareentwicklung ein, wobei fast die Hälfte ungeprüfte Open-Source-Modelle nutzt. Dadurch nehmen Sicherheits- und Compliance-Risiken wie Schadcode, Datendiebstahl oder Lizenzverstöße deutlich zu. Klassische Softwareanbieter verlieren Marktanteile, während KI-gestützte Tools neue Standards in der Entwicklung und Anwendung setzen.
Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology zeigt, dass bislang 95 Prozent der befragten Unternehmen keinen positiven Return on Investment aus ihren KI-Aktivitäten verzeichnen. Gleichzeitig gilt OpenAI für viele Softwarehäuser als potenzielle Bedrohung, da KI-Agenten zentrale Arbeitsabläufe zunehmend automatisieren.
Im Onlinehandel führt OpenAI derzeit „One Click Shopping” ein und integriert diese Funktion direkt in die eigene Plattform. Kooperationen mit mehreren großen Handels- und Cloud-Anbietern verdeutlichen die Geschwindigkeit, mit der der Markteintritt erfolgt.
Auf einer großen Technologiekonferenz in San Francisco herrschte zuletzt Einigkeit: Der Softwaresektor steht vor einer tiefgreifenden Disruption, die etablierte Marktteilnehmer vor erhebliche Herausforderungen stellt. Gleichzeitig fließen Rekordsummen in junge KI-Softwareunternehmen – eine Welle automatisierter Lösungen wächst rasant.
Ausblick: Zwischen Euphorie und Vorsicht
Dieses Jahr schufen gelockerte Finanzierungsbedingungen – niedrigere Zinsen, hohe Kreditverfügbarkeit und geringe Risikoprämien – ein Umfeld mit reichlich Kapital, günstiger Finanzierung und hoher Risikobereitschaft. Das stabilisiert KI-Aktien, obwohl immer wieder vor einer Blasenbildung gewarnt wird. Zentralbanken und große Investmenthäuser erwarten kurzfristig keine deutliche Trendwende, sodass die Bewertungen vorerst weiter steigen könnten. Die viel diskutierte Korrektur im September 2025 blieb aus, die Debatte um eine mögliche Blase hält jedoch an. Ein abruptes Ende des Aufschwungs ist derzeit nicht absehbar.
Die massiven Investitionen in die KI-Infrastruktur weisen jedoch Züge einer Überhitzung auf. Führende Technologieunternehmen räumen selbst ein, dass Überinvestitionen möglich sind, das Risiko, bei zentralen Entwicklungen zurückzufallen, wiege jedoch schwerer. Auch die großvolumigen Aufträge von OpenAI weisen Merkmale einer Überinvestitionsphase auf. Finanzierungszusagen sind teilweise unklar und Schätzungen variieren stark. Korrekturen bleiben daher möglich und sind, wie bereits mehrfach in den vergangenen zwei Jahren geschehen, wahrscheinlich. Unabhängig davon dürfte die KI-Technologie Wirtschaft und Alltag tiefgreifend verändern, vergleichbar mit der Dotcom-Phase, die den Durchbruch des Internets markierte. Gegenwärtig steht diese Entwicklung jedoch noch am Anfang.
Bisher wurde die öffentliche Wahrnehmung vor allem durch Software-Innovationen geprägt, beispielsweise durch KI-Chatbots und Suchmodelle. In der nächsten Entwicklungsstufe erreichen physische KI-Anwendungen wie autonome Fahrzeuge Marktreife und werden skaliert. Deren Einsatzgebiete weiten sich zunehmend von US-Städten auf europäische Metropolen aus. Der chinesischer Hersteller Momenta plant gemeinsam mit deutschen Automobilunternehmen die Produktion von Fahrzeugen der Automatisierungsstufe 4.
Im Anschluss dürften humanoide Roboter die nächste Innovationswelle auslösen. Parallel dazu werden Fortschritte in der DNA-Analyse, der Medikamentenentwicklung, der Simulationstechnik und in wissenschaftlichen Anwendungen erwartet. Zudem gewinnt das Thema der sich selbst weiterentwickelnden KI an Bedeutung: Google veröffentlichte jüngst Studien zu Sprachmodellen, die ihre Fähigkeiten eigenständig verbessern. Dies ist ein Bereich, in den große Technologieanbieter derzeit erhebliche Investitionen tätigen.
Langfristige Effizienzpotenziale durch KI
Der Einsatz von KI eröffnet in zahlreichen Branchen – von Design- und Softwareprozessen bis hin zur industriellen Automatisierung – erhebliche Effizienzgewinne. Langfristig könnten sich daraus strukturelle Veränderungen ergeben, die sich positiv auf die Produktivität, die Gewinnmargen und die Cashflows auswirken. Auf makroökonomischer Ebene dürfte der technologische Fortschritt durch KI tendenziell deflationäre Effekte haben.
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